Wie aus Böhlener Webern brasilianische Kaffeepflücker wurden

Die Beschäftigung mit thüringischen Auswanderern führt unweigerlich zu einem Ereignis, das sich im Jahr 1852 zugetragen hat. Das Dorf Böhlen, gelegen im Tal der Schwarza war Schauplatz eines traurigen und spektakulären Ereignisses. 154 Einwohner und damit ca. 13,6% der damaligen Bevölkerung setzten sich am 8. März 1852 mit Sack und Pack in Richtung des Hamburger Hafens in Bewegung.

Die beiden Böhlener Heimatforscher Dieter Lange und Hans-Günter Schneider stießen um das Jahr 1998 auf die Geschichte. Bei einem Festumzug wurde die Auswanderung Böhlener nach (Nord-)Amerika thematisiert und beide fragten sich, warum über der Auswanderung nach Brasilien ein Mantel des Schweigens lag. Es schien so, als ob diese Geschichte etwas peinlich wäre. Von den Ausgewanderten erzählte man sich im Dorf, dass sie wohl am Rande der Gesellschaft standen und ihren Lebensunterhalt nicht immer auf legalem Weg bestritten. Das erinnert an die Geschichte der Einwohner von Lütsche.

Die beiden Heimatforscher begannen zu recherchieren, nutzten dabei die Quellen der einschlägigen Archive wie das Pfarrarchiv Böhlen, die Staatsarchive Rudolstadt und Weimar, das Evangelische Landeskirchenarchiv Eisenach und das Hauptstaatsarchiv der Hansestadt Hamburg mit seinen Passagierlisten. Sie fanden dort den weiteren Weg der Auswanderer. Am 11. März 1852 bestiegen die Böhlener zusammen mit weiteren Auswanderern u.a. aus Wildenspring, Königsee, Rudolstadt, Mellenbach, Sitzendorf und Gillersdorf die Schiffe „Catharina“ und „Lorenz„. Mit einem weiteren Schiff, der „Princess Louse“ gelangten zeitgleich Auswanderer aus Schleswig-Holstein nach Rio de Janairo. Mit einem bislang unbekannten Schiff wanderten 1852 weitere Böhlener nach Brasilien aus. Wir finden diese Auswanderer später auch in den Facendas Santa Rosa und Santa Justa im Bundesstaat Rio de Janeiro wieder, wo sie bis 1860 und 1861 als Kaffeepflücker arbeiteten. Nachdem sie ihre Schulden abgearbeitet hatten, gingen sie ebenfalls nach Santa Catarina.

Für Dieter Lange und Hans-Günter Schneider stand fest, dass sie den Nachkommen dieser Ausgewanderten ein Gesicht geben wollten und sie machten sich mit einem Containerschiff auf die Reise nach Brasilien. Weitere Informationen hierzu finden sich beim Vielfensterhaus e.V. in Böhlen.

Letztlich ist diese Massenauswanderung aus Böhlen aber auch nur die Spitze des Eisberges. Bereits vor und auch nach dem Jahr 1852 wanderten Böhlener aus. Einige folgten den „Kaffeepflückern“ nach Brasilien. Andere suchten ihr Glück lieber in Nordamerika, wo der Mittlere Westen ebenfalls ein besseres Auskommen als in Deutschland versprach.

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